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250 Kilometer durch ein „Land der Extreme“

von | Mai 18, 2017 | Allgemein, Laufjahr 2017, Wettkämpfe | 9 Kommentare

Ich habe mir einen Lauftraum erfüllt: 250 Kilometer durch die Wüste in sechs Etappen. Es war anstrengend, es war heiß, es war sandig – vor allem aber war es einfach nur wunderbar!

Hier der erste Teil meines Berichts über mein großes Laufabenteuer in der Namib.

Seit ich Ultra-Distanzen laufe, habe ich immer wieder daran gedacht, dass ich mir irgendwann im Leben den Traum erfüllen werde, durch die Wüste zu laufen. In einem Reiseheft lese ich: „2000 Kilometer lang grenzt die Namib an den Ozean. Ihre Dünen sind die höchsten der Welt, ihr Klima ist das trockenste auf Erden“. Der Merian nennt diese Region weiter ein „Land der Extreme, dessen Name alles sagt: ‚der Ort, an dem nichts ist‘“. Um an diesem Ort zu laufen, habe ich mich lange vorbereitet.

Genauso wie die anderen Rookies aus dem „Little Desert Runners Club“, den Rafael Fuchsgruber ins Leben gerufen hat, um anlässlich seines 10-jährigen Wüstenlauf-Jubiläums Läuferinnen und Läufer, die von der Wüste fasziniert sind, vorzubereiten und mitzunehmen. In der Vorbereitung wäre ich manchmal aufgeschmissen gewesen ohne Rafaels Tipps zu Training, Ausrüstung und Ernährung.

Schon die Vorbereitung war ein Abenteuer. Die mehrseitige kommentierte Pflichtausrüstungsseite hat dazu geführt, dass gefühlt jeden zweiten Tag der Paketbote neues Equipment geliefert hat. Ich könnte einen Outdoor-Laden aufmachen. Die Frage der Verpflegung hat mich in die wahnwitzige Situation gebracht, dass ich auf der Suche nach Nahrung war, die möglichst viele Kalorien hat, um bei geringem Gewicht die vorgeschriebene Kalorienzahl (14.000, also 2000 Kalorien pro Tag) zu erreichen.

Im Training bin ich monatelang langsam und lang gelaufen, so oft es ging, habe das Gewicht des Rucksacks dabei von 4,5 auf knapp 9 Kilogramm gesteigert. Zwei Marathons und drei 6-Stundenläufe bin ich gelaufen, einmal sogar im Doppelpack: samstags der 6-Stundenlauf in Nürnberg, sonntags der in Fürth. Zu diesen Wettkämpfen kommen zahlreiche lange Läufe an der Isar hinzu, mal mit Freunden, mal allein – und bei all diesen Läufen schien Namibia irgendwie immer sehr weit weg zu sein.

Und dann geht plötzlich alles ganz schnell. Die Zeit rast, ich komme kaum dazu, den Rucksack mal Probe zu packen. Zack, sitze ich am Flughafen und frage mich, ob ich in Doha bei der Zwischenlandung oder bei der Einreise in Windhoek wohl Probleme bekomme, weil ich eineinhalb Kilo hellgelbes Pulver in Tüten verpackt im Handgepäck habe. Mein Getränkepulver für den Wettkampf…. Sorgen einer Ultraläuferin!

Endlich in Namibia

Alles geht gut, nach mehr oder weniger durchwachter Nacht komme ich in Windhoek an, bin froh, dass ich hier eine Übernachtung gebucht habe, um erst einmal langsam anzukommen nach der langen Anreise. Erst am nächsten Tag, nach einer kleinen Tour durch Windhoek und einem wunderbaren Abendessen, fahre ich weiter nach Swakopmund, dem Ort, an dem sich alle Wüstenläufer spätestens am nächsten Tag einfinden werden. Die Aufregung wächst.

Dann endlich der Tag, an dem alles losgeht. Morgens um 8 Uhr in Swakopmund das Briefing, gefolgt vom Materialcheck, bei dem ich mich fühle wie eine Schülerin bei einer Prüfung. Aber zum Glück stimmt alles mit meiner Ausrüstung. 9,6 Kilogramm bringt mein Rucksack auf die Waage, da ist sicher noch Verbesserungspotenzial. Eine freudige und aufgeregte Atmosphäre herrscht im Poolbereich des Hotels, alle sehnen sich danach, dass es los geht.

Schließlich ist es soweit, in drei Bussen werden wir, begleitet von diversen Jeeps, in die Wüste gebracht. Nach etwa drei Stunden erreichen wir das Tor zum Skeleten Coast National Park. Ganz in der Nähe ist das erste Camp. Sehr bewegend ist schon unser „Einzug“ in das Camp: durch den grünen Start- und Zielbogen, der uns die nächsten sieben Tage begleiten wird, kommen wir ins Camp, die Einheimischen, die uns nun auch die nächste Woche begleiten, unsere Zelte auf- und abbauen und uns mit heißem Wasser für unsere Mahlzeiten versorgen  werden, begrüßen uns singend und tanzend. Alles kommt mir vor wie in einem Film.

Wir beziehen unsere schon vorher zugeteilten Zelte, dann beginnt unsere Camp-Routine: An kleinen Tischen oder am Lagerfeuer sitzend essen wir, unterhalten uns, bestaunen den grandiosen Sonnenuntergang, legen uns früh hin.

Meine erste Nacht im Camp: Ich bin so froh, endlich da zu sein, froh, dass es endlich los geht, dass ich endlich in der Wüste bin. Ein paar Worte zum Camp: Eine wunderbare Gemeinschaft ist das hier: Knapp 100 Läuferinnen und Läufer aus 39 Ländern laufen, marschieren und leben zusammen und so mancher Politiker sollte sich ein Beispiel daran nehmen, wie friedlich, freundschaftlich und hilfsbereit alle miteinander umgingen. Das ist eine einzigartige Erfahrung.

Ich mag das Leben im Camp: Alles ist reduziert auf das Wesentliche. Es macht plötzlich gar nichts, sieben Tage nicht zu duschen, immer dieselben Sachen zu tragen. Die meisten von uns schlafen viel zu wenig: Es ist nicht besonders bequem, meist schnarcht irgendwo jemand; aber trotzdem sind die Nächte schön: morgens rieche ich das Lagerfeuer, höre die Gespräche derer, die schon im Dunkeln um diese Feuer herum sitzen. Diese Atmosphäre ist sehr besonders. Und der Sternenhimmel!

 

Es geht los: The Symphony of Life

Am nächsten Morgen verfalle ich in Hektik, als ich die Isomatte und den Schlafsack nicht sofort optimal am Rucksack befestigen kann, es wackelt, ich finde den Fehler nicht. Der Start rückt immer näher, ich werde immer nervöser. Zum Glück rettet mich mein Zeltnachbar Christoph. Kurz danach geht es los, auf eine 38 Kilometer lange Etappe, die der Veranstalter „Symphony of Life“ genannt hat.

Wir stehen an der Startlinie, Fotos werden gemacht, Umarmungen hier, Küsschen da. Es geht los. Ich laufe in der Namib. Unglaublich. Langsam, ganz bedächtig setze ich einen Schritt vor den anderen. Bloß nicht zu schnell, den Fehler machst du hier nicht! Ganz langsam trabe ich vor mich hin. Und freue mich. Bestimmt grinse ich die ganze Zeit dämlich vor mich hin.

Nach einer Weile schließen Kirsten und Martina zu mir auf, eine ganze Weile laufen wir zu dritt. Bremsen uns immer wieder, wenn die Euphorie zu groß wird. Bleiben aber auch stehen, um Fotos zu machen. Es ist wunderschön.  Ich bin so dankbar, hier zu sein, dies ist ein Gefühl, dass das gesamte Rennen über bleiben wird: Selbst in schweren Momenten später im Rennverlauf habe ich immer das Gefühl, am richtigen Ort zu sein, stelle keine einzige Sekunde die Entscheidung infrage, hier zu laufen.

Die Landschaft ändert sich während der ersten beiden Etappen permanent, ganz gewiss ist die Wüste nicht eintönig. Die Farben ändern sich, die Steinformationen und der Sand ändern sich, das Licht ändert sich. Mir geht durch den Kopf, was ich in einem Text von Achill Moser vor der Reise gelesen habe: „Schritt für Schritt läuft beim Gehen in der Wüste die Landschaft mit. Das stetige Dahingehen wird zur Urform der Meditation – denn zu Fuß hält die Seele Schritt.“ Das gilt auch für unseren Lauf. Die Seele hält Schritt und die Gedanken sind frei von allem, was zuhause ein Thema ist, was so wichtig erscheint. Die Landschaft läuft mit. Das gefällt mir.

Die dritte Etappe führt über weite Strecken am Meer entlang, für mich ein Traum. Ja, es strengt an und wenn der Sand zu tief wird, marschiere ich eine Weile, statt zu laufen. Aber es ist wunderschön, irgendwann erreichen wir eine große Seehundkolonie. Ich rieche sie, bevor ich sie sehe – sie stinken ganz furchtbar, und trotzdem ist es fantastisch, an Hunderten, nein wahrscheinlich Tausenden Seehunden vorbei zu laufen. Später sehen wir noch eines der über Hundert Schiffwracks, die hier gestrandet sind und der Skelettküste ihren Namen geben (den sie aber auch aufgrund der unzähligen Tierskelette verdient, an denen wir vorbeilaufen).

Die ersten zweieinhalb Etappen haben wir das Glück, Rückenwind zu haben, was Gegenwind unter diesen Bedingungen bedeutet, bekomme n wir auf den letzten 10 Kilometern der dritten Etappe zu spüren: eine nicht enden wollende Mondlandschaft mit heftigem Gegenwind zwingt mich (und die meisten anderen) dazu zu gehen und gibt einen Vorgeschmack darauf, was da noch kommen kann. Und es kommt, am nächsten Tag, dem langen Marsch.

Müde, aber sehr glücklich, lege ich mich kurz nach Einbruch der Dunkelheit ins Zelt, in der Hoffnung, mit nun schon 120 Kilometern in den Beinen möglichst viel Kraft für die 80 Kilometer lange Etappe am nächsten Tag zu sammeln.

Fortsetzung folgt…

(Fotos: privat, Kirsten Althoff, Jerry Jeschka, 4Deserts/Onni Cao)

Das bin ich

Dr. Andrea Löw, Historikerin und leidenschaftliche Läuferin. Hier nehme ich euch auf meine Laufabenteuer und Reisen mit.

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