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50 Meilen auf den Spuren der CIA beim OSS/CIA Night Run

von | Jul 9, 2022 | Allgemein, Laufjahr 2022, Wettkämpfe | 1 Kommentar

Das war hart neulich beim OSS/CIA 50 Mile Night Run. Aber es war zugleich ein außergewöhnliches und tolles Rennen, bei dem wir auf den Spuren der amerikanischen Geheimdienstler unterwegs waren.

Der Prince William Forest Park in Virginia mit seinen schmalen Wurzeltrails inmitten dichter Bäume war einer der Orte, an denen die OSS, die Vorgängerorganisation der CIA, nachts für ihre Einsätze trainiert hat. Dort veranstaltet Alexander Papadopoulos von Athletic Equation seinen Nightrun, auch, um an diese Geschichte zu erinnern, wie er beim Briefing sagt.

Ich bin in diesem Park und bei diesem Veranstalter im März schon 50 Kilometer gelaufen beim No Man´s 50 k. Das Rennen hatte ich in sehr guter Erinnerung und so melde ich mich nun, recht spontan zehn Tage vor dem Rennen und obwohl es nur fünf Wochen vor den 50 Meilen am Lake Tahoe beim Tahoe Rim Trail Run ist, an. Erst nach der Anmeldung lese ich, dass der Lauf meist nur etwa 50 Prozent Finisher hat. Worauf genau habe ich mich da eingelassen? Naja, wird schon, zur Not laufe ich nur eine der beiden Runden und habe einen Marathon. Aber das will ich natürlich eigentlich nicht. Beim Online-Briefing eine Woche vorher finde ich zum Glück eine Mitfahrgelegenheit aus Arlington, so dass ich mit einem netten Gleichgesinnten problemlos – und begeistert bisherige Lauferfahrungen austauschend – zum Start komme.

Um 18 Uhr geht das Rennen los, nach einer kleinen Runde über den Parkplatz laufen wir auf die Trails.

Die ersten drei Stunden laufen wir beim OSS/CIA Night Run also noch im Hellen und können sehen, wie schön der Park ist mit seinen Trails direkt an kleinen Flüssen, zumal jetzt mit dem warmen Licht in der Abendsonne. Und so fallen mir die ersten etwa 20 Kilometer auch sehr leicht. Ich freue mich, wieder hier zu sein und auf den feinen Trails laufen zu dürfen.

In die Dunkelheit

Als die Dämmerung in Dunkelheit übergeht, hole ich meine Stirnlampe heraus. Weiter geht es, nun in vollkommen veränderter Atmosphäre. Ich mag das, alles ist ruhig, zumindest anfangs, als ich nicht am Wasser laufe. Da ich nur eine relativ kleine Stirnlampe dabei habe und den Weg nicht besonders weit ausleuchten kann, muss ich mich sehr konzentrieren, zumal die Trails hier wirklich sehr wurzelig sind. Über weite Strecken bin ich alleine unterwegs, achte sehr gut auf die Markierungen und genieße mein kleines Abenteuer.

Zwischendurch gibt es einige Meilen auf einem Forstweg, die im Dunkeln gar nicht so schlimm sind, da ich mich für einen Moment nicht so stark konzentrieren muss. Diesen Teil der Strecke hat der Rennveranstalter im Vorfeld „PUD“ genannt und auf die fragenden Blicke der Läuferinnen und Läufer erklärt: „Pointless Ups and Downs“. Das muss ich mir merken, ständig diese Puds!

Ungefähr bei der Marathondistanz soll die erste Runde beendet sein, meine Uhr zeigt allerdings deutlich mehr an, so dass ich eine ganze Weile lang denke, dass ich doch wirklich gleich an den Aufstieg zum Startbereich kommen müsste. Als stattdessen nochmal eine kleine Wasserstation kommt (zwei große Kanister, an denen wir uns selbst etwas nehmen können), bekommt meine gute Laune einen kleinen Dämpfer.

Halbzeit beim OSS/CIA Night Run

Nun gut, nützt ja nichts, weiter! Nach gut sechs Stunden habe ich mich dann aber den Aufstieg hochgekämpft und laufe durch den Start-/Zielbogen. Hier könnte man aussteigen. Will ich aber natürlich nicht. Ich tausche die Batterien meiner Stirnlampe vorsorglich aus, damit ich nicht plötzlich mitten auf dem Trail im Dunkeln stehe, fülle meine Vorräte auf, esse etwas Reis mit Avocado und mache mich bald wieder auf den Weg, um es hier nicht zu gemütlich zu finden.

Wenig späte irre ich auf einem großen Picknickplatz herum und suche die Markierung. Im Hellen war das alles kein Problem, im Dunkeln ist es auf einer großen und breiten Fläche wirklich blöd, wenn Du am Anfang in die falsche Richtung gelaufen bist. Ich irre herum, suche und fluche. Dann kommen zum Glück drei Läufer, einer von ihnen findet die Markierung, und der Trail hat mich wieder. Ich bin erleichtert.

In fluffigem, nie zu steilen Auf und Ab geht es weiter durch die Nacht. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, es ist halt dunkel und ich muss noch lange laufen, das ist alles, was ich weiß. Der im Hellen auf der ersten Runde so wunderbare Trail am Wasser wird nun, über eine Marathondistanz später, zum endlosen und anstrengenden Trail. Er nimmt und nimmt kein Ende, außerdem habe ich nun, wo ich in der Dunkelheit und alleine unterwegs bin, den Eindruck, dass es viel weniger Markierungen gibt als auf der ersten Runde. Manchmal brülle ich, leicht verunsichert, in die tiefschwarze Nacht, dass ich jetzt endlich so eine „F…“-Markierung sehen will. Passiert dann auch meist. An einer Stelle habe ich das Gefühl, dass es neben mir im dichten Gebüsch nach Tier riecht. Welches Tier ist denn wohl groß genug, dass ich es riechen kann? Uff, schnell weiter und nicht weiter drüber nachdenken!

Gedankenkarussel

Solange ich am Wasser laufe – was ja, wie eben bemerkt, endlos ist – veranstalten die Frösche ein lautstarkes Konzert. Irgendwann habe ich einen Punkt erreicht, an dem ich einem besonders lauten Frosch antworte. Zwischendurch fluche ich, weil ich laut meiner Uhr schon seit Ewigkeiten an dem Abzweig zum Checkpoint hätte sein müssen, stattdessen, ratet: immer noch auf dem endlosen Trail am Wasser herumeiere. Als ich irgendwann schräg oben Licht sehe, denke ich für einen kurzen Moment: „Oh, da ist der Checkpoint!“ Dann fällt mir ein, dass ich gerade nicht an den Bergen unterwegs bin und das Licht da oben einfach der Mond ist. Mein Hirn wird etwas seltsam, wenn ich die Nacht durchlaufe, denke ich mir. Immerhin denke ich noch. Und muss über mich selbst lachen, das ist gut, solange ich über mich selbst lachen kann, ist alles nicht so schlimm.

Trotzdem beginnt auf diesem Abschnitt ein ungutes Gedankenkarussel: Ob es wirklich so schlau ist, mich jetzt hier fünf Wochen vor dem Höhepunkt-Rennen dieses Jahres  hier beim OSS/CIA Night Run so kaputt zu machen? Vielleicht sollte ich gleich irgendwann einfach aufhören? Dann hatte ich mit 60 Kilometern doch ein tolles Training für den Lauf am Lake Tahoe. Bevor ich zu lange solche destruktiven Gedanken habe, kommt zum Glück der Abzweig zum Checkpoint.

Hier treffe ich einen Läufer wieder, der mich vorher überholt hatte, mir berichtet hatte, dass es ihm nicht gut geht. Nun muss er wieder pausieren, versichert mir aber, dass er gleich weitermacht. Die beiden Helfer an diesem Wasserpunkt erzählen mir, dass schon wieder fast die Hälfte der Starter ausgeschieden sind. Das gibt mir einen seltsamen Motivationsschub. Ich denke mir, dass mir das ganz sicher nicht passiert, dass ich zu der Hälfte gehören werde, die hier heute finisht. Trotzig renne ich los und komme den nächsten Abschnitt tatsächlich sehr gut und mit neuer Motivation weiter.

Bei der großen Verpflegungsstation frage ich, da ich zwischendurch so langsam war, die so netten Helfer, ob ich Probleme mit den Cut-Offs bekommen kann, aber die winken nur ab. Alles im grünen Bereich. Ich esse ein Stück Kartoffel mit Salz, trinke eine schön salzige Brühe, die so gut tut und mache mich wieder auf den Weg.

Nun hat mich Michael, der Läufer, der heute so zu kämpfen hat mit Magenproblemen, wieder eingeholt. Ich freue mich, dass es ihm besser geht, und ein Stück laufen wir zusammen. Später, als sich alles wieder so furchtbar zieht, hat er mich wieder eingeholt und das letzte sehr lange Stück sind wir zusammen unterwegs, ziehen uns immer wieder gegenseitig mit. Das ist großartig und eine riesige Hilfe. Wir schaffen es tatsächlich, große Teile der letzten zehn Kilometer zu laufen, nur unterbrochen durch kurze Abschnitte, in denen wir marschieren, wenn es wirklich bergauf geht. Da es inzwischen wieder hell geworden ist, packen wir die Stirnlampen weg, das fühlt sich gut an. Aus leichtem Regen ist ein prasselnder Regenguss geworden, aber immerhin, das kühlt uns etwas ab.

Finish!!!

Wir überholen sogar noch einige wenige andere Läufer während unseres letzten Kraftakts. Dann geht es relativ steil bergan und das ist eine gute Nachricht, denn sehr bald, so wissen wir aus der ersten Runde, sind wir im Ziel. Und tatsächlich, der Trail spuckt uns auf dem Parkplatz aus, wir sehen den Zielbogen und nach 13 Stunden und 15 Minuten laufen wir ins Ziel.

Das. War. Hart. Aber es war auch ein tolles Erlebnis, ein liebevoll und toll organisiertes Event mit famosen Helferinnen und Helfern, und ich bin sehr froh, dass ich mich durchgebissen habe. Am Ende haben 48 die volle Distanz geschafft, 32 sind ausgestiegen, die Finisherquote war also diesmal höher als 50 Prozent. Acht Frauen sind ins Ziel gekommen, neun nicht. Aber bei einem solchen Rennen ist es ohnehin so, dass ich den Hut ziehe vor allen, die sich trauen, an den Start zu gehen, sich auf ein solches Abenteuer einzulassen. Das ist stark!

Mit schweren Beinen und nass bis auf die Haut nehme ich mein Finishergeschenk in Empfang, ein silberner Kaffeebecher mit der Aufschrift “OSS/CIA Night Run”, aus dem ich künftig sehr stolz trinken werde.

Bilder: privat / Veranstalter

Das bin ich

Dr. Andrea Löw, Historikerin und leidenschaftliche Läuferin. Hier nehme ich euch auf meine Laufabenteuer und Reisen mit.

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