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Vom langen Laufen im Kreis: der 6-Stunden-Lauf in Ottobrunn

von | Mrz 31, 2015 | Laufjahr 2015, Wettkämpfe | 7 Kommentare

Es gibt ein Lied von Herbert Grönemeyer, in dem er davon singt, dass er jetzt schon seit Stunden hier so seine Runden dreht. So ging es mir neulich auch, nur dass ich im Unterschied zu diesem Song keinen Parkplatz gesucht habe, sondern im Kreis gelaufen bin. Immer wieder.

Ich habe schon diverse Ultraläufe gefinisht. Ja, ich kann sechs Stunden lang laufen. Normalerweise führen mich solche langen Touren allerdings durch traumhafte Landschaften, sind abwechslungsreich und anspruchsvoll. Dieses wunderbare Gelände lenkt ab, es ist so schön, dass ich einfach weiterlaufen muss, sage ich oft, wenn Leute mich fragen, wie ich denn so lange laufen kann.

Aber da ich zum einen im Training für meinen ersten 100-Kilometer-Lauf bin und zum anderen alles gern einmal ausprobiere, habe ich mich schon vor einiger Zeit zu einem 6-Stunden-Lauf angemeldet. Und so machte ich mich vorletzten Sonntag bei fiesem Nieselregen und recht kaltem Wind auf den Weg zur 19. Auflage des 6-Stunden-Laufs in Ottobrunn.

Am Vorabend bin ich, die sonst fast nie mit Musik läuft, daran gescheitert, meine eigens für diesen langen Lauf erstellte Playlist auf den MP 3-Spieler zu transferieren, ohne dass die Lieder wieder in die Alben zurück sortiert werden. Gut, also ohne Musik. Kurz bevor ich am frühen Morgen zur S-Bahn eilen musste, riss der Reißverschluss meiner Lauftight, hektisch habe ich irgend etwas anderes aus dem Schrank gekramt und finde mich in der Bahn in einer nicht so bequemen Tight und mit recht schlechter Laune wieder.

Wetter schlecht, Laune schlecht und die Aussicht, sechs Stunden lang im Kreis laufen? Auf einer Runde, die gute 1,44 Kilometer lang ist? Ich war mir plötzlich gar nicht so sicher, ob ich das wollte. Bei der Ankunft wurde es etwas besser, denn schnell war klar: Dieses ist ein kleines, sehr familiäres und liebevoll organisiertes Rennen. Das mag ich. Gut, Laune etwas besser. Ein klein wenig.

Angelika und Manfred Rau organisieren den Ottobrunner Lauf, die Kinder sind auch dabei und helfen tatkräftig mit, die Tochter gibt die Startnummern aus, die beiden Söhne haben in diesem Jahr ein Rennen für Kinder organisiert. Das ganze ist außerdem ein Spendenlauf und die Veranstalter für jeden gelaufenen Kilometer für die Kitgum-Mission in Uganda spenden. Eine super Sache, finde ich.

Das Race Briefing gibt Manfred Rau in leuchtender Warnweste und mit lauter Stimme im Stadion, dann marschieren die knapp 60 Läuferinnen und Läufer gemeinsam zum Start. Da wird rasch noch jemand gesucht, der auf der ersten Runde vorläuft, dann geht es los. Als wir wieder ins Stadion einlaufen, denke ich nur, dass diese Runde kurz ist, also wirklich kurz. Eine Runde durch ein Wohngebiet, teilweise etwas matschig, aber überall auf befestigten Wegen, dann rein ins Stadion, eine Runde durchs Stadion, hoch auf die Tribüne, wo Angelika Rau die Startnummern jedes Mal aufruft und die Rundenzeiten vermerkt sind – und wieder von vorn.

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(Foto: Jürgen Englerth)

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(Fotos: Andreas Greppmeir)

Es zieht und ist relativ kalt, die Runde ist kurz und ganz extrem unspektakulär. Aber meine schlechte Laune ist verflogen und ich drehe halt einfach Runde um Runde. Anfangs im Gespräch mit einem anderen Läufer, danach laufe ich alleine. Doch ist die Runde so kurz, dass ich ständig die anderen Läufer sehe, auch werde ich immer mal wieder überholt und überhole manchmal selbst. Die wenigen Zuschauer sehe ich auch ziemlich oft. Und ich komme oft an der wirklich wunderbaren Verpflegung vorbei, nämlich nach jeder Runde. Das entspannt mich ziemlich, weil ich mich dadurch das gesamte Rennen über nie damit beschäftigen muss, ob ich denn jetzt dringend etwas essen oder trinken muss. Völlig egal, wenn mir jetzt nicht danach ist, mache ich es halt in etwa achteinhalb Minuten.

Es ist fantastisch, was in Ottobrunn aufgetischt wird: Himbeeren, Erdbeeren, Apfelstücke, geschnittene Paprika, Salzstangen, Brote, Kekse und noch ganz vieles mehr – sogar ein Brot mit Räucherlachs kann man sich zubereiten lassen bei Bedarf. Ich esse in den sechs Stunden einige Stücke Obst und Paprika, das reicht und bekommt mir gut. Und ich weiß ja die ganze Zeit über, dass ich ganz schnell etwas bekomme, falls ich doch hungrig werde.

Die ersten beiden Stunden finde ich trotzdem anstrengend. Mein Knöchel tut an der Innenseite ein bisschen weh und da ich mich ja nun einmal nicht auf den Weg konzentrieren muss, habe ich Zeit, darüber nachzudenken, ob dieser Lauf doch zu knapp nach dem Marathon auf Mallorca zwei Wochen zuvor war und überhaupt, ob ich überhaupt sechs Stunden laufen kann,wenn es nach eineinhalb schon weh tut. Die Gedanken kreisen zusammen mit den Runden.

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(Foto: Jürgen Englerth)

Doch wird der Schmerz immer weniger und damit auch das schlechte Gefühl. Es kommt der Punkt, an dem ich es überhaupt nicht mehr schlimm finde, im Kreis zu laufen. Ich mache es einfach. Punkt. Denke gar nicht so besonders drüber nach. Wenn mich die spätere Siegerin mal wieder überholt, bewundere ich ihren tollen Laufstil. Wenn ich jemanden überhole, freue ich mich. Und so drehe ich meine Runden. Nach drei Stunden wird es richtig gut, denn nun habe ich die Hälfte schon geschafft. Also schaffe ich die zweite Hälfte auch.

Beim Einlaufen ins Stadion begegnen mir jedes Mal die Läufer, die schon etwas weiter auf der Runde sind und wieder auf die Tribüne laufen. Aufmunternde Blicke, Nicken, Lächeln, manchmal gequält, aber so what?! Es geht ganz gut, ich laufe vier Stunden, ich laufe fünf Stunden. Und nach diesen fünf Stunden denke ich mir, dass die letzte Stunde jetzt lächerlich kurz ist, und laufe weiter vor mich hin. Die Beine sind schwer, aber ich bin einfach froh und zufrieden, dass ich aus der leichten Krise am Anfang wieder herausgelaufen bin.

Nach 5 Stunden und 12 Minuten habe ich 50 Kilometer geschafft und weiß, dass ich mein Ziel, mindestens 55 Kilometer zu laufen, jetzt auch erreichen werde. Gutes Gefühl. In einer kurzen Verpflegungspause sehe ich, dass Zwischenergebnisse aushängen. Ich bin 5. Frau und 1. meiner Altersklasse, wow, das motiviert noch einmal richtig, auch nach den 55 Kilometern weiterzulaufen. Etwas über 57 Kilometer habe ich am Ende absolviert.

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(Foto: Jürgen Englerth)

Es reicht dann aber auch irgendwann und ich bin froh, als schrille Pfiffe aus zahlreichen Trillerpfeifen erklingen (die Teilnehmer des Kinderlaufs wurden hierzu aktiviert) und eine Silvesterrakete in den Himmel über dem Stadion geschossen wird. Ich lasse den Holzstab mit meiner Startnummer fallen (daran wird abgelesen, bis wohin ich in der letzten Runde gelaufen bin) und gehe zurück ins Stadion. Eine ruhige, zufriedene und sehr gelöste Atmosphäre herrscht hier vor.

Heiße Suppe wird gereicht, dazu ein Bier und ab unter die Dusche. Bei der Siegerehrung bekommt jeder seine Urkunde persönlich überreicht, dazu eine Auswertung seines Rennens. Ich bin fast 39 Runden gelaufen. Genau, im Kreis. Macht aber nichts, war irgendwie klasse. Ich glaube, ich bin nächstes Jahr wieder dabei. Zur Jubiläumsausgabe, der 20. Austragung des 6-Stunden-Laufs in Ottobrunn. Ich werde es mit Sicherheit nicht vergessen, mich anzumelden: Mein Ehrenpreis für den AK-Sieg ist eine Müslischale. Immer wenn mein Müsli sich dem Ende neigt, lese ich jetzt: 1. Platz, 6-Stunden-Lauf Ottobrunn. Bei so viel Motivation beim Frühstück muss ich wiederkommen, oder?

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Das bin ich

Dr. Andrea Löw, Historikerin und leidenschaftliche Läuferin. Hier nehme ich euch auf meine Laufabenteuer und Reisen mit.

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