YES – letzte Woche konnte ich meinen ersten 100-Kilometer-Ultratrail finishen. Es war eine großartige Wahl, diese lange Distanz auf Menorca erstmals anzugehen.
Menorca ist die zweitgrößte Insel der Balearen, zugleich die am wenigsten besiedelte. Seit 2010 ist es möglich, die Insel auf dem Fernwanderweg GR 223, dem Camí de Cavalls, vollständig zu umrunden. Dieser Weg ist eine perfekte Möglichkeit, die Schönheit der Insel, die die UNESCO 1993 zu einem Biosphärenreservat erklärt hat, kennenzulernen.
Und er ist eine wunderbare Laufstrecke. Am vergangenen Wochenende fand die 4. Auflage des Trail Menorca Camí de Cavalls statt. Drei verschiedene Ultratrail-Strecken und zwei kürzere Trecking-Strecken stehen an diesem grandiosen Laufwochenende auf der Baleareninsel zur Auswahl: Komplett umrunden die Ultratrailer im 185-km-Wettkampf die Insel und haben dabei noch 2863 Höhenmeter zu überwinden, der Trail Menorca Costa Nord umfasst 100 Kilometer mit 1796 Höhenmetern, der Trail Menorca Costa Sud 85 Kilometer mit 1124 Höhenmetern. Die beiden Trecking-Strecken sind 32 und 55 Kilometer lang.
Das sind heftige Distanzen und das rauhe Gelände macht die Sache nicht einfacher – aber traumhaft schön. Ich trete hier zu meinem ersten 100-Kilometer-Lauf an, starte also am Freitag Morgen gemeinsam mit Sarah Siegmund um 8 Uhr in Ciutadella nach Norden.
Die Strecke ist ein Traum. Relativ wenige Asphaltpassagen, der allergrößte Teil sind Trails, die direkt am Meer entlang führen, an schroffen Klippen, durch kleine Buchten, immer wieder haben wir atemberaubende Ausblicke auf die Küste. Manchmal verlassen wir auch die direkte Küstennähe und finden uns in ganz anderem Gelände wieder, hier ist es sehr grün, Vögel zwitschern nahezu exotisch, die Atmosphäre ist eine gänzlich andere. Der Lauf ist eine landschaftliche Offenbarung und sehr abwechslungsreich.
Und er hat es in sich, immerhin knappe 1800 Höhenmeter bedeuten immer wieder steinige Trails nach oben und wieder hinunter, das geht in die Beine. Trotzdem: Die ersten ungefähr 50 Kilometer staune ich derart über die Landschaft und bin so dankbar, dass ich dieses Laufabenteuer erleben darf, dass es mir nie zu anstrengend wird.
Abwechslungsreich ist nicht nur die Strecke, sondern auch das Wetter. Haben wir anfangs im Norden heftigen Wind, der uns leider zumeist entgegenkommt, regnet es zwischendurch und ist bewölkt. Als am Nachmittag mit der Sonne aber auch die Hitze kommt, sind wir froh, dass wir diese Temperaturen nicht die ganze Zeit über hatten.
Es wird irgendwann hart, das war klar. Ungefähr ab Kilometer 70 wird es richtig schwer. Mit dem Anbruch der Dunkelheit beginnt ein Gewitter, es blitzt und donnert direkt über uns. Es schüttet, wir sind nass, müde, alles tut weh.
Und trotzdem hat auch diese Phase des Rennens etwas. Es ist dunkel, nur noch unsere Stirnlampen erhellen den Weg, in der Ferne sehen wir die roten Rückleuchten anderer Läufer. Wir hören sehr nah das Meer rauschen, ohne es zu sehen. Die Atmosphäre ist komplett anders als tagsüber, es ist spannend. Und es geht bzw. es läuft. Ich zweifle nie daran, dass ich dieses Rennen finishe. Es ist ein gutes Gefühl zu sehen, was man am Ende doch zu leisten imstande ist. Bei einem solchen Ultralauf kommt man unweigerlich irgendwann an seine Grenzen – und überwindet sie. Man lernt viel über sich selbst und darüber, was man schaffen kann. In gewisser Weise ist doch das ganze Leben ein Ultratrail.
Die letzten Kilometer führen durch die Inselhauptstadt Maó (Mahón) mit ihrem riesigen Naturhafen. Es zieht und zieht und zieht sich, wir passieren unendlich viele Schiffe. Auf der anderen Seite der Straße sind Kneipen und Cafés zu finden, das pralle Leben, es ist schließlich Freitag Nacht, inzwischen nach Mitternacht. Junge Leuten feiern, trinken, lachen, grölen. Und wir – laufen. Langsam, aber wir laufen.
Und erreichen den kleinen Ort Es Castell, den südlichen Eingangspunkt zum Naturhafen von Máo. Nach 17 Stunden und 5 Minuten laufen wir ins Ziel ein. Müde, fertig, aber überglücklich und stolz. Mir kommen auf der Zielgeraden die Tränen, ein solcher Lauf bedeutet auch große Emotionen.
In Es Castell ist am nächsten Tag der Start für die 85 Kilometer der südlichen Strecke. Und die harten Läuferinnen und Läufer, die sich an die komplette Umrundung wagen, müssen jetzt noch 85 Kilometer weiterlaufen. Ich bin voller Bewunderung für die, die dazu jetzt noch die Kraft haben. Uns bringt ein Bus zurück nach Ciutadella, dort suchen wir ein Taxi und fahren ins nahe gelegene Santandria, wo unsere Unterkunft sich befindet. Um 5 Uhr morgens, 24 Stunden, nachdem ich aufgestanden bin, um mich fertig zu machen für den Start, falle ich ins Bett.
Am nächsten Tag frühstücke ich mit Blick aufs Meer. Ich sehe die Markierungen, auch hier führt der Camí de Cavalls vorbei, es sind noch etwa vier Kilometer bis nach Ciutadella – dem Ziel der 185-km-Läufer. Und während ich hier, nach immerhin etwa fünf Stunden Schlaf, bei meinem ausgiebigen späten Frühstück sitze, kommen immer wieder Läufer vorbei. Abgekämpft sehen sie aus, haben über 27 Stunden und gute 180 Kilometer in den Beinen. Wahnsinn!
Der Trail Menorca Camí de Cavalls ist ein fantastisch und sympathisch organisiertes Rennen, die Helferinnen und Helfer sind extrem freundlich, und auch die Stimmung unter den Läuferinnen und Läufern ist sehr kameradschaftlich, viele aufmunternde und freundliche Worte gibt es unterwegs füreinander. Und die Strecke – ein Traum!
Ich jedenfalls werde sehr wahrscheinlich im nächsten Jahr wieder im Mai nach Menorca reisen. Der Trail Costa de Sud wartet auf mich, wenn ich diese 85-km-Strecke absolviere, habe ich Menorca einmal komplett umrundet. So viel sieht der normale Tourist ganz sicher nicht von dieser wunderschönen Insel.
Mein erster 100-Kilometer-Trail ist geschafft – HAPPY AND PROUD!!!!
Danke an Trail Menorca Camí de Cavalls für ein wunderschönes Rennen, danke an Sarah Siegmund für den vielen Spaß, den wir zusammen auf der Strecke hatten, und Tausend Dank an ASICS und SZIOLS Sports Glasses für die perfekte Ausrüstung!!!
In einer längeren Fassung erschien dieser Bericht auf www.laufen.de/ultratrail-auf-menorca
Traumhafte Bilder während des Rennens hat Ian Corless gemacht, Ihr findet Sie auf seiner Seite