Da wir dieses Jahr aus beruflichen Gründen in Washington, D.C. wohnen, schien ein Kurztrip nach Kalifornien machbar. Also sind wir an einem Morgen im März bei recht kühlen Temperaturen hier aufgebrochen, um etwa fünfeinhalb Stunden später im sonnigen Los Angeles zu landen. Bei der Fahrt vom Flughafen nach Downtown, wo wir in einem der offiziellen Marathon-Hotels untergebracht sind, merken wir schnell, dass alle Warnungen vor dem wirklich heftigen Verkehr in LA zutreffend sind. Stop and Go. Mehr Stop als Go. Irgendwann kommen wir trotzdem an, Wagen in die Garage, einchecken und los, Downtown erkunden.
Großes Highlight ist hier „The Last Bookstore“, der wahrscheinlich spektakulärste Buchladen, den ich je gesehen habe. Wir verbringen hier Zeit, viel Zeit.
Später am Abend essen wir in Little Tokyo ausgezeichnetes Sushi. Nach einem Absacker-Bier an der Hotelbar fallen wir ins Bett, kein Wunder, immerhin sind zwischen der Ost- und der Westküste drei Stunden Zeitverschiebung und laut unserer inneren Uhr ist es nun schon drei Stunden später.
Am nächsten Morgen fahren wir zuerst in Richtung Hollywood, spazieren am berühmten Eingangstor der Paramount Pictures vorbei, bestaunen schicke Straßen und Häuser, flanieren über den Hollywood Boulevard und schauen Sterne auf dem Walk of Fame.
Danach brechen wir auf in Richtung Pazifik. Wir fahren endlos den berühmten Sunset Boulevard entlang (zwei Wochen später schaue ich, gewissermaßen als Nachbereitung, auf einem Flug Billy Wilders „Sunset Boulevard“ von 1950) entlang, bis wir, immer wieder ausgebremst durch sehr viel Verkehr, südlich von Malibu auf den Pacific Coast Highway kommen. Weiter geht´s mit wunderbarer Aussicht Richtung Norden, an einem der Strände machen wir eine Pause inklusive kurzem Bad im recht kalten Pazifik.
Warmlaufen für den Los Angeles Marathon
Weiter geht es nach Santa Monica, wo es in einer Bar am berühmten Pier ein von ASICS organisiertes Event gibt. Ein kleiner, aber ganz wunderbarer Shake Out Run über direkt am Meer steht auf dem Programm, danach sind wir eingeladen zu Hot Dog und Getränken. Mit meiner brasilianischen ASICS FrontRunner-Kollegin Adriana laufe ich die etwa sieben Kilometer gemütlich und freue mich an der Sonne, den Palmen und dem Blick aufs Meer.
Der Tag vor dem Rennen. Kennt Ihr die Empfehlung, vor dem Marathon unbedingt die Beine zu schonen? Kenne ich auch, klappt aber nie, wirklich nie, wenn ich in einer fremden Stadt, die mich interessiert, Marathon laufe. Ich will ja was sehen… Ich glaube, Pascal und ich sind an diesem Samstag einen knappen Halbmarathon marschiert. Nun gut, sind die Beine wenigstens warm…
Eine knappe Stunde gehen Adriana, Pascal und ich morgens zur Startnummernausgabe und Expo am Dodger Stadium. Hier treffen wir David und Christian aus dem schwedischen und dem chilenischen Frontrunner-Team.
Die Expo ist unter freiem Himmel, wir halten uns Ewigkeiten dort auf, der erste Sonnenbrand in diesem Jahr auf den Schultern ist da. Bepackt mit Starterbeutel und allen möglichen Sport- und Energiegetränken zum Ausprobieren marschieren Pascal und ich irgendwann weiter, wir möchten auf dem Rückweg zum Hotel noch einen Schlenker durch Chinatown einbauen.
Dort nehmen wir, inzwischen völlig erschöpft, irgendwann Vernunft an und bestellen uns ein Lyft, das uns ins Hotel bringt. Dort machen wir knapp zwei Stunden lang endlich das, was man vor dem Marathon macht: Wir ruhen uns aus.
Carboloading am Venice Beach
Abends sind wir mit den Teamkollegen in einer Trattoria in Marina de Rey verabredet. Wir parken in der Nähe des Restaurants und da wir noch Zeit haben, laufen wir noch etwas Richtung Strand, zum Venice Beach, freuen uns am Meer, dem Wind, den Wellen, und marschieren wieder zurück. Pascal murmelt etwas von schweren Beinen und dass er nicht weiß, wie er am nächsten Tag einen Marathon laufen soll. Naja, wird schon. Das Essen ist jedenfalls ganz wunderbar, Pasta Party de Luxe.
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker richtig, richtig früh, da wir schon um 4 Uhr an einem anderen Hotel sein müssen, um mit einem Shuttle-Bus zum Dodger Stadium zu fahren. Das. Ist. Wirklich. Nicht. Meine. Zeit. Aber gut, da müssen wir durch. Ein großer Trost ist es, dass wir im ASICS-Bus fahren und im Stadion in den VIP-Bereich dürfen, dort gibt es Frühstück und saubere Toiletten. Erst kurz vor dem Start werden wir in den ersten Startblock gebracht.
Es ist kalt, ich friere in meinem schulterfreien Top ziemlich und freue mich auf den Sonnenaufgang. Der Bürgermeister begrüßt die Läuferinnen und Läufer kurz vor dem Start: „Thank you for being our Angels in the City of Angels!“ Hach, die Amis! Dann gibt es noch die Nationalhymne und kurz danach dürfen wir auf die Strecke. Mit der aufgehenden Sonne starten wir, es ist stimmungsvoll. Wenig stimmungsvoll ist es, dass Pascal und ich nach ungefähr einer Minute erstmal abbiegen und zur Sicherheit nochmal jeder in ein Dixie-Klo verschwinden. Sicher ist sicher, dauert ja noch einen Moment, unser Lauf durch Los Angeles.
Sightseeing Run
Wir beginnen unseren langen Sightseeing Run durch die Stadt der Engel in Chinatown, laufen einen Schlenker durch Downtown, wo uns recht kurz hintereinander gleich mehrere Prediger mit Megafonen bekehren wollen. Wir passieren die eindrucksvolle Walt Disney Concert Hall und merken schon auf diesen ersten Kilometern: Das hier ist kein leichter Marathon, es geht permanent auf und ab. Gefühlt viel öfter hinauf, aber vermutlich ist das Einbildung. Wir laufen über den Sunset und dann den Hollywood Boulevard. Für die eine Woche später stattfindende Oscar-Verleihung – oder für uns Läuferinnen und Läufer, wer weiß das schon? – ist schon alles vorbereitet und wir machen unterwegs ein Oscar-Selfie.
Es ist anstrengend, aber es ist schön. Das mit den Palmen und der Sonne hatte ich schon erwähnt? Übrigens ist es nie zu heiß, die Temperaturen sind angenehm, ein leichter Wind kühlt die Luft. In Beverly Hills biegen wir ab auf den Rodeo Drive und laufen an teuren und noch teureren Geschäften vorbei. Nun, vermutlich auch, weil es nicht mehr mitten in der Nacht ist, stehen auch immer mehr Zuschauer am Rand und feuern uns an. An diversen Stellen gibt es Livemusik, das spornt an.
Pascal muss ab Kilometer 28 ziemlich kämpfen, wir werden langsamer. Mir geht es absurd gut, vermutlich wegen der Stimmung und der Glücksgefühle und der Dankbarkeit, hier laufen zu dürfen. Wir werden langsamer, es zieht sich. Ich lege Pascal eine Hand in den Rücken und schiebe ihn an, darf man das eigentlich? Vermutlich nicht, wenn wir gewinnen würden, aber die Gefahr besteht gerade eher nicht.
Irgendwann sind wir fast da. Fast. Ich sage Pascal mehrere Male, dass es da vorne gleich rechts zum Ziel geht. Es ist dann aber doch erst ein späteres „da vorne“. Dann biegen wir aber tatsächlich ab und zack, auf der Avenue of the Stars laufen wir überglücklich durch den Zielbogen.
Glückliche Finisher beim Los Angeles Marathon
Den Rest des Tages sitzen wir im Außenbereich eines Restaurants, essen und trinken und feiern uns. In der Nähe ist ein ASICS Store, dort gibt es noch ein Finisher-Bier für alle, auch hier ist eine sehr entspannte Stimmung, ich bin wahrscheinlich auf sehr vielen Bildern von Leuten, die ich nicht kenne. Auf allen Bildern die tolle Medaille – Amerikaner können Medaille…
Irgendwann brechen wir auf, bekommen weder ein Uber noch ein Lyft und steigen daher in einen recht vollen Bus, den wir nicht bezahlen müssen, die Fahrerin winkt uns durch, vielleicht mag sie Läuferinnen. Eine Stunde dauert unsere Rückfahrt nach Downtown, ich schaue aus dem Fenster und wundere mich, wie weit wir heute, aus dieser Richtung kommend, gelaufen sind. Der große Burger am Abend ist sehr verdient.
Der Tag nach dem Lauf ist leider schon der letzte Tag im Paradies. Wir checken aus und fahren nach Manhattan Beach, ein sehr hübscher kleiner Ort mit wunderbarem langen Strand, der nur wenige Kilometer südlich des Flughafens liegt. Schließlich wollen wir am Abend keinen Verkehrsstress bekommen. Wir bummeln durch den Ort, shoppen etwas, essen Tacos und dann gönnen wir uns noch einen halben Strand-Tag. Inklusive Strandspaziergang und Bad im frischen und welligen Pazifik. Es ist traumhaft.
Mit Blick aufs Meer essen wir Fisch, sehen noch einen spektakulären Sonnenuntergang, bevor wir uns schweren Herzens auf den Weg zum Flughafen machen.
Kurz vor Mitternacht hebt unser Flieger ab und bringt uns in einem kurzen Nachtflug zurück nach Washington. Es waren wunderbare Tage und der nächste Ausflug nach Kalifornien ist schon geplant, ein Lauf inklusive, das versteht sich ja von selbst.
Fotos: privat, Finisherpix.